Das Sächsische Staatsarchiv hat ab 2013 in einem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt die sächsischen Gerichtsbücher elektronisch erschlossen. Dabei wurden hauptsächlich die im Sächsischen Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, verwahrten rund 22.900 Bände des Bestandes 12613 »Gerichtsbücher« berücksichtigt. Der Bestand umfasst eine für Sachsen in den Grenzen von 1815 flächendeckende Überlieferung vom Anfang des 15. Jahrhunderts bis um 1856 und ist an Umfang und Dichte einmalig in Deutschland. Darüber hinaus konnten nennenswerte Bestände von Gerichtsbüchern in neun sächsischen Stadtarchiven in das Projekt einbezogen werden, womit auch die dortigen Gerichtsbücher online recherchierbar sind:
- Stadtarchiv Bautzen
- Stadtarchiv Dresden
- Rats- und Stadtarchiv Görlitz
- Stadtarchiv Kamenz
- Stadtarchiv Leipzig
- Stadtarchiv Löbau
- Stadtarchiv Meißen
- Stadtarchiv Plauen
- Stadtarchiv Zwickau
In Kooperation mit dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V. (ISGV) sind die im Projekt gewonnenen Metadaten auf dieser Website verfügbar, sie sind darüber hinaus mit dem online angebotenen »Digitalen Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen« verknüpft worden. Die dort verfügbaren ortsbezogenen Daten erhalten somit eine wichtige Ergänzung. Nachdem das »Repertorium Saxonicum« bereits eine der wichtigsten historisch-statistischen Quellen Sachsens - die Mitte des 16. Jahrhunderts entstandenen Amtserbbücher - aufbereitet hat, wird nun mit den Gerichtsbüchern eine weitere für die Forschung fundamentale Quellengruppe zum komplexen Informationssystem hinzugefügt. Seit 2020 werden darüber hinaus sukzessive Digitalisate der Gerichtsbücher auf der Website des Staatsarchivs veröffentlicht und mit den Daten auf dieser Website verknüpft.
Unter Gerichtsbüchern versteht man alle bis in das 19. Jahrhundert hinein bei den lokalen Gerichten geführten Bücher, in die Handlungen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit eingetragen wurden, v. a. Grundstückskäufe und -verpfändungen, aber auch Nachlass- und Vormundschaftsangelegenheiten. Diese Eintragungen besaßen Charakter und Beweiskraft von Urkunden. Der hohe Quellenwert dieser Unterlagen liegt in der besonders komprimierten Darstellung der Rechtsgeschäfte, die Informationen zu mehr als 4700 Ortschaften und vielen Familien in Sachsen bereithalten. Sie sind unverzichtbar für orts-, siedlungs-, sozialgeschichtliche sowie genealogische Forschungen und werden von Nutzern des Sächsischen Staatsarchivs stark nachgefragt. Zu verweisen ist grundsätzlich auf die Überlieferung weiterer Gerichtsbücher und der korrespondierenden Gerichtsprotokolle in den Beständen der Lokalverwaltung (Ämter, Herrschaften und Kommunen) des Sächsischen Staatsarchivs.
Die Recherche nach Gerichtsbüchern ist über zwei Abfragen möglich:
1. Ortssuche
zeigt alle Gerichtsbücher mit Informationen zum eingegebenen Ort aus den 10 beteiligten Archiven an, eine zeitliche Eingrenzung ist möglich. Diese Suchmöglichkeit schließt auch zahlreiche Orte außerhalb Sachsens (heute in Thüringen, Brandenburg oder Sachsen-Anhalt, z. T. auch Tschechien und Polen) ein. Der Ausgangspunkt für die Ortssuche kann auch das »Digitale Historische Ortsverzeichnis von Sachsen« für die dort enthaltenen Orte sein.
2. Gerichtssuche
zeigt alle Gerichtsbücher an, die bei einer bestimmten Gerichtsstelle (Amt, Stadt, Rittergut usw.) entstanden sind. Die Suche ist nach Gerichtsort und Art des Gerichts (z. B. Leisnig, Amt oder Leisnig, Stadt) möglich, bei Bedarf mit zeitlicher Eingrenzung.
Arten der Gerichtsbücher
Bei der Erschließung wurden die Titel der Gerichtsbücher normiert. Die Bezeichnungen richten sich nach dem hauptsächlichen Inhalt der Gerichtsbücher, schließen somit andersartige Einträge nicht aus. In Amtsverwaltungen angelegte Gerichtsbücher enthalten häufig den Zusatz „Amts-“ (z. B. Amtshandelsbuch, Amtskonsensbuch).
Titel | Inhalt |
Erbsonderungsbuch | Regulierung von Nachlässen |
Gerade- und Heergerätekaufbuch | Regulierung des mütterlichen und väterlichen Erbteils |
Gerichtsbuch oder Gerichtshandelsbuch | Alle Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, besonders in kleinen Gerichten verwendet, am häufigsten existierende Art von Gerichtsbüchern |
Hypothekenbuch | Hypotheken auf Immobilien (spätere Form der Konsensbücher) |
Kaufbuch | Käufe von Mobilien und Immobilien |
Konsensbuch | Hypotheken auf Immobilien mit der Zustimmung des Lehnsherrn zu ihrer Aufnahme |
Lehnbuch | Besitzwechsel von Bauernstellen nach Lehnsrecht |
Quittungsbuch | Quittungen über empfangene Ratenzahlungen aus Schuldverträgen |
Rezessbuch | Verträge verschiedener Art |
Rügenbuch | Strafrechtliche Bagatellen nach einem besonderen Prozesstyp |
Schöppenbuch | Von den Schöffen eines örtlichen Gerichts geführtes Gerichtsbuch |
Stadtbuch | Alle rechtsrelevanten oder zur kommunalen Verwaltung notwendigen Angelegenheiten: freiwillige Gerichtsbarkeit, Neubürger- und Ratslisten, Privilegien, Handwerksordnungen, Eide, Rechnungen, Steuerlisten |
Testamentsbuch | Testamente und ihre Eröffnung |
Verzichtsbuch | Grundstücksübertragungen und damit zusammenhängende Verzichte auf Ansprüche |
Vormundschaftsbuch | Gerichtliche Bestellung und Beaufsichtigung von Vormündern |
Zessionsbuch | Abtretungen von Hypotheken und anderen Forderungen an Dritte |